Lederalternativen: Unterschied zwischen den Versionen

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''Fachartikel in der [http://www.pro-leder.de/ Pro-Leder] Ausgabe 2018-01 von [[Benutzer:Admin|Jörg Rausch]], [http://www.lederzentrum.de/ Lederzentrum GmbH, Rosdorf].''<br></p>
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''Fachartikel in der [http://www.pro-leder.de/ Pro-Leder] Ausgabe 2019-05 von der [http://www.lederzentrum.de/ Lederzentrum GmbH, Rosdorf].''<br></p>
 
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==Fachartikel in der [http://www.pro-leder.de/ Pro-Leder] Ausgabe 2018-01 - Anilinleder – die Krönung der Lederarten?==
 
Anilinleder ist in der obersten Preisklasse angesiedelt und wird als die beste aller Lederarten bezeichnet. Aus Kundensicht trifft das nicht immer zu.
 
  
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==Was sind Lederalternativen?==
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Der Markt der Lederalternativen war in der Vergangenheit durch [[Kunstleder]] besetzt und jeder kannte den Unterschied zwischen [[Leder]] und Kunstleder. Inzwischen konkurrieren neue Materialien mit Leder und versuchen einen Marktanteil zwischen Leder und Kunstleder zu finden. Auch bei den [[Leder#Welche Materialien dürfen als Leder bezeichnet werden?|Begrifflichkeiten der Kennzeichnung]] von Kunstledern und Alternativprodukten neben dem Standardbegriff Kunstleder, wird viel Energie in Begriffsfindungen gesteckt, die für die Konsumenten verwirrend und oft auch irreführend sind. Wie z.B. bei der Kennzeichnung „[[Veganes Leder]]“, was nie aus Leder besteht und fast nie aus natürlichen Stoffen, sondern meist ein Kunstleder, verbunden mit der Problematik der geringen [[Lederqualität|Haltbarkeit und Qualität]] und am Ende als Mikroplastik die Umwelt verschmutzt.
  
===Was ist Anilinleder?===  
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[[Anilinleder]], aufgrund einer früheren Namensgebung auch als „naturbelassenes Leder“ bezeichnet, ist ein [[Glattleder]], bei dem der [[Narbung|natürliche Narben]] bzw. die [[Haarporen]] noch deutlich und vollständig sichtbar sind. Eine [[Zurichtung|pigmentfreie Zurichtung]] darf maximal 0,01 mm Stärke aufweisen.
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==Fachartikel in der [http://www.pro-leder.de/ Pro-Leder] Ausgabe 2019-05 - Sind Trama, Piñatex & Co. eine Gefahr für Leder?==
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Immer wieder tauchen Materialien auf, die kein Leder sind, aber wie Leder sein wollen oder sogar irreführend [[Leder#Welche Materialien dürfen als Leder bezeichnet werden?|als „Leder“ bezeichnet werden]]. Dazu gehören Materialien wie [[Muskin - Trama|Trama (Pilze)]] oder [[Piñatex - Ananasleder|Piñatex (Ananas)]].
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Alles Humbug? Wir hatten im [http://www.lederzentrum.de/ Lederzentrum] die Gelegenheit, uns [[Muskin - Trama|Trama]] etwas näher anzuschauen. Zwei Jungunternehmer kündigten sich an und baten um Rat, wie man das Pilzmaterial Trama durch [[Zurichtung|Bindemittel]] oberflächlich fixieren kann. Aufgrund von ersten Erfahrungen mit unseren [[COLOURLOCK|Colourlock]]-Bindemittelprodukten wollten unsere Besucher erfahren, welchen Spielraum die [[Lederfarbe|Lederfarbenwelt]] für die Oberfläche von Trama bietet.
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===Was ist eigentlich Trama?===
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[[Muskin - Trama|Trama, auch Muskin, Mushroom Leather oder Zunderschwammpilz]] genannt, ist das schwammige Untermaterial von einem Baumpilz. Trama hat eine rauhlederartige Oberfläche und ist sehr weich und samtig.
  
  
 
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''Beim [[Anilinleder]] sind die [[Haarporen]] sichtbar und Feuchtigkeit dringt ein.''<br></p>
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''Trama ist ein atmungsaktives Fasermaterial.''<br></p>
 
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Geregelt ist das in der DIN EN 15987 (Leder – Terminologie – Hauptdefinitionen für den Lederhandel, Juli 2015, Punkt 4.2.3.1). Auf diese Norm verweist die DIN 68871 (Möbel – Bezeichnungen und deren Anwendung, April 2017, Punkt 3.2.2) mit der Ergänzung, dass Anilinleder vollnarbig sein muss, bzw. der Narben nicht angeschliffen sein darf. Auf diese beiden Normen verweist wiederum die RAL GZ 430 (Allgemeine Güte- und Prüfbestimmungen für Möbel, Januar 2016, Punkt 9.8.2). Die DIN EN 16223 (Leder – Anforderungen an Bezeichnung und Beschreibung von Leder für Polsterungen und die Innenausstattungen von Automobilen, Februar 2013) verweist unter Punkt 5.3 auf die Lederartenbezeichnungen
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===Was unterscheidet Trama von Leder?===
der DIN EN 15987. Somit ist der Terminus [[Anilinleder]] in den Normen definiert.
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Trama ist weich und wirkt sehr natürlich, aber hat keine mit Leder vergleichbare [[Lederqualität|Faserstabilität]]. Trama ist nicht reißfest.
  
In der Werbung des Handels werden diese Parameter um Kaufargumente ergänzt. Anilinleder müssen wegen der Sichtbarkeit des Narbens absolut [[Hautschäden|makellos]] sein. Das macht Anilinleder besonders edel und exklusiv, weil nur ein Bruchteil der Rohware ohne sichtbare [[Hautschäden]] ist. Anilinleder sehen natürlich und matt aus und haben eine angenehme, wachsige und warme [[Haptik]]. In der Argumentation und Preiseinteilung wird Anilinleder als das beste Leder eingestuft.
 
  
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''Die Fasern sind nicht reißfest.''<br></p>
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===Was ist das beste Leder?===
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Mit wenig mechanischem Aufwand reißt Trama ein. Daher ist Trama auf eine [[Kaschieren|Unterkaschierung]] angewiesen, die die Reißfestigkeit gewährleistet. Eine Technik, die auch bei Leder eingesetzt wird.
Diese Frage bekommt man oft auf [[Lederreparatur Schulungen - Leder Schulungen#Leder Schulungen|Lederschulungen]] gestellt. Hat eine besondere [[Exotenleder|Tierart]] das beste Leder, oder ist es eine bestimmte [[Lederarten|Lederart]]? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt darauf an, wofür das Leder verwendet wird, wie es beansprucht wird und was der Kunde davon erwartet.
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Ein butterweiches [[Ziegenleder|Ziegennappa]] ist bestens für [[Lederhandschuhe|Handschuhe]] geeignet, aber nicht für [[Autoleder|Fahrzeug-]] oder [[Möbelleder]]. Ein [[Vollnarbig|vollnarbiges]] [[Ledergürtel|Gürtelleder]] ist nicht für den Relaxledersessel geeignet und strapazierfähiges Autoleder nicht für die [[Schuhleder|Ledersohle eines Schuhs]]. Ein weiches [[Elchleder]] ist ein wunderschönes [[Lederbekleidung|Bekleidungsleder]], aber erfüllt nicht die Sicherheitsanforderungen, die an eine [[Motorradkombi]] oder an das [[Lederschuhe|Oberleder]] von Sicherheitsschuhen gestellt werden. Es gibt dazu keine [[Exotenleder|Tierart]], die eindeutig besser ist als das verbreitete [[Rindsleder]]. Es muss von Fall zu Fall unterschieden werden, welches Leder für einen Verwendungszweck in Frage kommt und ob es die geforderten [[Lederqualität|Qualitätsparameter]] erfüllt und dazu alltagstauglich aus Kundensicht ist.
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===Kann man die [[Lederqualität]] messen?===
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Es wäre einfach, wenn man nur eine Messung am Leder vornehmen könnte und damit die Qualität bestimmen würde. Es gibt aber nicht nur einen Parameter zur Ermittlung der [[Lederqualität]], sondern Dutzende. Insbesondere die [[Autoleder|Fahrzeug-]] oder [[Flugzeugleder|Flugzeughersteller]] haben eine Vielzahl an Anforderungen an die verarbeiteten Leder. Genormte Prüfparameter für Leder sind z. B. die Reibechtheit, die [[Lichtechtheit]], die [[Atmungsaktivität]], das [[Ledergewicht|Gewicht]], die [[Maße und Gewichte|Dicke]], die Zugfestigkeit, die Weiterreißkraft, die Zurichtungshaftung, die [[Brandschutz bei Leder - Schwerentflammbarkeit - Brennbarkeit|Schwerentflammbarkeit]], die Flexibilität, das Knickverhalten, die Wasserdurchlässigkeit, die Säure- und Laugenbeständigkeit, die Hydrolysebeständigkeit, die [[Haptik]], der [[Glanz|Glanzgrad]], die Rückpolierbarkeit, das Anschmutzungsverhalten, das [[Knarzverhalten]], der [[Ledergeruch|Geruch]] oder das [[Fogging]].
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[[bild:Anilin-Haptik-01.jpg|250px]]
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[[bild:Bally-Test-01.jpg|250px]]
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''[[Lederqualität]] kann gefühlt und gemessen werden.''<br></p>
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''Reißfestigkeit durch [[Kaschieren|Kaschierung]].''<br></p>
 
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Um ein Leder zu bewerten, müssen die [[Lederqualität#Prüfkriterien der Lederqualität|relevanten Prüfparameter]] ermittelt werden. Erfüllt ein Leder alle Parameter, ist es geeignet, wenn der Preis dazu akzeptabel ist. Möchte man die Qualität verschiedener [[Lederhändler|Lederanbieter]] vergleichen, kann man dazu noch betrachten, wie weit das Leder die relevanten Parameter über dem geforderten Mindestmaßstab erfüllt. Ist ein Leder deutlich über den geforderten Mindestanforderungen, ist es besser als ein Leder, welches die Anforderungen nur knapp erfüllt. Neben dem Preis können auch Gerbarten ([[Chromgerbung#FOC = free of chrome|FOC = free of chrome]], [[Vegetabilgerbung|pflanzlich gegerbt]]) oder Gütesiegel wie der [[Blaue Engel]] oder das [[Emissionslabel für Lederpflege|DGM-Emissionslabel]] die Auswahl beeinflussen.
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Trama hat noch einen weiteren Nachteil: Es ist äußerst wasserempfindlich. [[Offenporige Leder|Offenporiges Leder]] ist auch [[Imprägnierung|wasserempfindlich]]. Wird Leder durch und durch nass, verkleben die Fasern beim Trocknen, und es wird steifer und muss wieder weicher gewalkt werden. Dazu verliert Rauhleder etwas Haptik und Optik, wenn es komplett nass geworden ist. Bei Trama sind die Konsequenzen schlimmer. Das Fasergefüge bricht durch Feuchtigkeit stark ein, und es dunkelt extrem ab. Der Schaden ist irreversibel.
 
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Betrachtet man aus diesem Blickwinkel den Möbel- und Fahrzeugpolstermarkt, erfüllen die Qualitätskriterien für Anilinleder nicht immer die Kundenerwartungen. Von Möbel- oder Autoledern erwarten die Kunden im höheren Preissegment
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ein langlebiges Leder. Die Objekte sind teuer, und Neubezüge sind nicht nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung eingeplant. Die Kunden erwarten in den oberen Preisklassen, dass sie sich bei normalem Gebrauch über mehr als 10 Jahre
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an ihrer Lederinvestition erfreuen können.
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===Anilinleder als Fahrzeugleder===
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Im [[Autoleder|Fahrzeugbereich]] erfüllt Anilinleder nicht die Mindestanforderungen der Autoindustrie. Bei
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der Reibechtheit, Lichtechtheit oder dem Anschmutzungsverhalten fallen die Leder gnadenlos durch. Die Krönung der Lederarten ist daher im Fahrzeugbereich kaum vertreten oder wird bei Sonderausstattungen meist zum Problemfall.
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BMW hatte im letzten Jahrhundert offenporiges [[Büffelleder]] im oberen Preissegment wie der 7er-Serie im Programm. Das Leder entwickelte mit der Zeit eine [[Patina]]. Da es aber zu stark ausblich und fleckempfindlich war, wurde es gegen
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Ende des Lebenszyklus [[Zurichtung|pigmentiert]], um Reklamationen zu vermeiden. Der VW Touareg hatte in einer Sonderedition ein [[Semianilinleder]] im Angebot, welches schnell durch Flecken und Patinabildung auffiel. Viele Kunden waren unzufrieden, und die Lederart wurde wieder aus dem Sortiment genommen. Auch das Reinanilin im Audi RS6 war extrem empfindlich, und ein verschwitztes Hemd hinterließ eingezogene Flecken. All diese Leder erfüllten die Normen für diese Lederart, aber für den Endverbraucher sind diese Mindestanforderungen zu wenig lebensnah. Aus diesem Grund hat die Autoindustrie strengere Qualitätsparameter, die mindestens erfüllt werden müssen, welche Anilinleder für diesen Verwendungszweck ausschließen.
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[[bild:Anilin-Touareg-01.jpg|250px]]
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''[[Autoleder#Volkswagen|VW Touareg]] mit [[Semianilinleder]]. - [[Autoleder#Audi|Audi]] mit Vollanilinleder ohne jeden Schutz und Schweißflecken.''<br></p>
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''Feuchtigkeit dringt sofort ein.''<br></p>
 
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===Anilinleder als Möbelleder===
 
Im [[Möbelleder|Möbelsegment]] sind Anilinleder wesentlich häufiger vertreten. Möbelleder werden von den Käufern eher [[Haptik|haptisch geprüft]], und kalte Leder mit einer starken [[Zurichtung|Pigmentierung]], die im Fahrzeugbereich akzeptiert werden, kommen für Möbel seltener in Frage. Je weicher und natürlicher sich ein Leder anfühlt, desto eher findet es das Wohlwollen des Endverbrauchers. Die typischen [[Lederqualität|Qualitätsprüfungen]] bei Möbelledern sind die [[Maße und Gewichte|Stärke]], das Dauerfaltverhalten, die Weiterreißfestigkeit, die Zurichtungshaftung (wenn vorhanden), die [[Lichtechtheit]] und die Reibechtheit. Weil Anilinleder empfindlicher sind und nicht die Mindestparameter der Lichtechtheit und Reibechtheit der [[Semianilinleder]] erfüllen können, sind die Mindestanforderungen an Anilinleder niedriger. Im Ergebnis bleicht ein Anilinleder sichtbar stärker aus als ein Semianilinleder und ist deutlich fleckenempfindlicher.
 
 
  
 
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''Nach der Trocknung deutlich gedunkelt.''<br></p>
===Anilin-, Semianilinleder (RAL GZ 430)===
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Bei der [[Lederherstellung]], beim [[Verschnitt|Zuschnitt]] in der Verarbeitung, beim Möbelverkauf und beim Endverbraucher tauchen Probleme bei Anilinledern auf. Die Gerber müssen die Erwartungen des Möbelhandels und der Endkunden erfüllen. Der Möbelhandel erwartet [[Partie|gleichbleibende Ware]] und mit dem Endkunden zusammen möglichst wenige Reklamationen aufgrund der [[Lederarten|Lederart]]. Anilinleder kann diese Erwartungen kaum erfüllen. Aufgrund der Offenporigkeit und mangels [[Zurichtung|Pigmentierung]] fallen [Partie|Chargen]] unterschiedlich aus, und selbst kleinste [[Hautschäden]] bleiben sichtbar. Der Möbelhersteller tut sich dadurch beim [[Verschnitt|Zuschnitt]] schwer und hat die Wahl zwischen höherem Verschnitt oder einem höheren Reklamationsrisiko.  
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''Anilinleder [[Lichtechtheit|ausgeblichen]]. - Unterschiedliches Alterungsverhalten unterschiedlicher [[Partien|Chargen]].''<br></p>
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''Einbrechen des Fasergefüges.''<br></p>
 
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Der [[Ledermöbel|Möbelhandel]] muss den Kunden die Vorteile vom Anilinleder preisen, aber tut sich schwer, die Empfindlichkeit zu kommunizieren. Der Endverbraucher erwartet in der oberen Preisklasse ein dauerhaftes Leder und ist bei sichtbarer Ausbleichung und Flecken mehrfach enttäuscht. Zum einen ist er enttäuscht, dass es überhaupt zu Farbveränderungen und Flecken kommt, und dann ist er enttäuscht, dass die Behebung der Probleme nicht mit einfachen Mitteln möglich ist. Bei einer [[Zurichtung|Pigmentzurichtung]] ziehen Flecken nicht sofort ein und können mit [[Lederreiniger|wässrigen Reinigern]] meist rechtzeitig entfernt werden, und [[Lederschäden#ebrauchsspuren auf Leder|Gebrauchsspuren]], die die [[Lederfarbe|Pigmentierung]] geschädigt haben, können mit einer [https://www.lederzentrum.de/tip/moebel/glattleder.html Farbauffrischung] wieder ausgeglichen werden. Der Kunde kann selber kostengünstig tätig werden und bekommt das Problem großteils behoben. Bei Anilinledern sind die Farbveränderungen großflächig, und eingezogene Flecken lassen sich in den seltensten Fällen mit einem Reiniger entfernen.
+
Um besseren Schutz zu gewährleisten, kann Trama [[Imprägnierung|imprägniert]] werden. Aber wie bei Rauhledern ist eine Imprägnierung nur ein Erstschutz und gegen Dauerregen nicht standhaft. Dazu nützt sich Trama durch mechanische Belastung schneller und stärker ab als [[Rauleder]]. Wie bei einer [[Zurichtung|nappierten]] [[Fleischseite]] eines [[Felle|Fells]] kann auch auf Trama eine Bindemittelschicht aufgetragen werden.
  
  
 
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[[bild:Anilin-falsche-Reinigung-01.jpg|250px]]
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[[bild:Mushroom-leather-Trama-07.jpg|500px]]
[[bild:Anilin-falsche-Reinigung-02.jpg|250px]]
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''[[Anilinleder]] ist schwieriger zu reinigen als [[Zurichtung|pigmentierte Leder]]. Schnell vergrößert man die Flecken durch falsche [[Lederreiniger|Reinigungsversuche]].''<br></p>
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''[[Zurichtung|Nappiertes]] Trama.''<br></p>
 
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Oft fragen uns Kunden, warum sie mehr Geld für das schlechtere Leder ausgegeben haben. Wir erklären diesen Kunden, dass sie die Seide des Leders erworben haben und man mit Seide nicht bei schlechtem Wetter Pilze suchen würde. Meist
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Das war die Fragestellung unserer Besucher in der [[Lederwerkstatt]]. Durch eine [[Imprägnierung|Vorimprägnierung]] konnte auf das Trama ein Schutz gegen Feuchtigkeitsschäden durch [[Zurichtung|wasserbasierende Binder]]  aufgetragen werden. Wie bei einer [[Zurichtung|Nappierung]] verliert das Material seine samtige Oberfläche, aber ein deutlich besserer Schutz wird erreicht. Dieses waren nur erste Versuche auf kleinen Flächen. Bis zu einer serienreifen Lösung muss noch viel in die Entwicklungsarbeit investiert werden. Ein weiterer Nachteil gegenüber Leder ist die [[Maße und Gewichte|Fläche der Stücke]]. Trama ist nur bis zu 30 Zentimeter groß.
ist dann die Entgegnung, warum man das nicht beim Kauf mitgeteilt bekommen hatte. Man hätte sich dann für eine andere Lederart entschieden. Leider ist die Einstellung und Konditionierung bei den meisten Möbelverkäufern so, dass man
+
lieber eine Unterschrift oder Provision kassiert, als dass man womöglich den Kunden verliert. Die Möbelhändler werden später als Vertragspartner mit den Reklamationen konfrontiert und hoffen, dass der Möbelhersteller oder die Kundendienstfirmen das Problem beheben können.
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Bei Anilinledern ist eine [[Lederreparaturen|Reparatur]] aber deutlich schwieriger und seltener möglich als bei [[Zurichtung|pigmentierten Ledern]]. Das Leder entspricht den Anforderungen der Norm für diese Lederart, und der Kunde bleibt auf seinem Schaden sitzen. Was nützt es, wenn das Leder die Anforderungen an die Lichtechtheit und Reibechtheit erfüllt, aber der Kunde eine verblichene und/oder fleckige Garnitur hat, die ihm nicht mehr gefällt? So ein Kunde ist für die [[Lederindustrie]] dauerhaft verloren.
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[[bild:Anilin-Moebel-01.jpg|250px]]
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[[bild:Muskin-Trama-08.jpg|500px]]
[[bild:Anilin-Patina-01.jpg|250px]]
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''Neu [[Ledermöbel|Möbel]] mit [[Anilinleder]]. - Älter Anilinledermöbel mit einer schönen [[Patina]].''<br></p>
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''Trama-Stücke sind max. 30 Zentimeter groß.''<br></p>
 
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===Anilinleder mit leichten Pigmentzurichtungen===
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===Fazit für die Lederwelt?===
Bei einer Umfrage des Lederzentrums bei Endverbrauchern im Jahr 2010 (PRO-LEDER 2010-01, Seite 14 „Auto- und Möbelleder aus Sicht der Endverbraucher“) waren 71 Prozent der Endverbraucher mit Anilinledermöbeln bei Ausbleichungen und Flecken mit dem Kauf im Nachhinein unzufrieden. Knapp 80 Prozent beklagten verblichene Möbel, und ca. 20 Prozent hatten
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Trama ist ein wunderschönes Material, aber die Ausgangsbasis ist deutlich schlechter als für vergleichbare [[Rauleder|Rauhleder]]. Leder ist robuster, unempfindlicher und hat in der Regel größere Flächen und kann ohne [[Kaschieren|Kaschierung]] vernäht werden. Zum aktuellen Stand der Produktions- und Herstellungstechnik wird Trama ein Nischenprodukt bleiben, und es ist auch nicht absehbar, dass es ein ernstzunehmender Konkurrent für die Lederwelt werden könnte.
Fettflecken im Kontaktbereich. Mit im Handel kursierenden Lederbeschreibungen wie „Anilinleder leben mit und werden mit der Zeit schöner“ sind betroffene Kunden nicht zu befriedigen. In der Absicht, dieses Dilemma zu mildern, behalfen
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sich Gerber teilweise durch Fasspigmentierungen oder durch leichte [[Zurichtung|Oberflächenpigmentierungen]], welche die Optik der Leder verbessern und die Empfindlichkeit mindern. Der Hersteller war zufriedener, weil die Ware gleichbleibender war, und der Handel und Endverbraucher, weil das Leder zu weniger Reklamationen führte und pflegeleichter wurde. Kam es doch zu Reklamationen, aus welchen Gründen auch immer, wurden die als Anilinleder titulierten Leder auf Anilinleder geprüft. Konnten Pigmente auf der Oberfläche festgestellt werden, war das Leder laut Norm kein [[Anilinleder]]. Wurde das Leder dann alternativ als [[Semianilinleder|Semianilin]] getestet, fiel das Leder bei der Reib- und/oder Lichtechtheit durch. Das Leder war dann mangelhaft, und der Endverbraucher hatte eine Anspruchsgrundlage für eine Reklamation.
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===Was ist Piñatex?===
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Unsere Gäste brachten auch eine Musterkarte vom [[Piñatex - Ananasleder|Piñatex]] mit, ein weiteres Material, welches im Rahmen von Lederalternativen häufiger erwähnt wird.  Bei Piñatex wird aus den Fasern der Ananasblätter ein vliesartiges Fasergefüge gewonnen. Dieses Vlies wird mit Bindemitteln oder Folien beschichtet. Es entsteht ein grobes Narbenbild mit einer lederartigen Optik. Dass Fasern der Ananasblätter verwendet werden, ist eine interessante Verwertung, aber beschichtete Baumwollgewebe sind dem Material nicht unähnlich. Piñatex hat eine Eigenstabilität und eine gute Vermarktungsgeschichte, aber ob es das Potential hat, aus der Nische zu treten um ein ernsthafter Lederverdränger zu werden, ist noch nicht absehbar.  
  
  
 
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[[bild:Lederfärbung-03.jpg|500px]]
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[[bild:Piñatex-09.jpg|500px]]
 
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''Aufbau der [[Lederfarbe|Lederfärbung]], [[Zurichtung]]. Ohne Zurichtung = Anilinleder.''<br></p>
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''Piñatex Musterkarte.''<br></p>
 
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Ist ein Leder, welches die Anforderungen für Anilinleder erfüllt, aber eine leichte Pigmentierung aufweist und die Parameter für Semianilinleder nicht erfüllt, mangelhaft? Ganz sicher nicht. So ein Leder ist weiterhin sehr
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Schaut man sich im Internet um, gibt es noch weitere Naturprodukte, die als Lederalternativen bezeichnet werden.
natürlich und hat dazu eine größere Gebrauchstauglichkeit. Die Natürlichkeit ist geringer als beim Reinanilinleder, aber höher als beim Semianilinleder. Mangelhaft sind allenfalls die relevanten Normen, weil sich eine Lücke zwischen der Definition für Anilinleder und Semianilinleder auftut, die vom Lederhersteller bis zum Endverbraucher nicht
+
erwünscht ist und von keinem als schützenswert erachtet wird.
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===Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)===
+
===Apfelleder – Weintraubenleder - Kaktusleder===
Bedauerlicherweise ist die Füllung dieser Lücke komplizierter als vermutet. Die beschriebene Problematik führt bis dato nur in Deutschland zu Problemen, aber die relevanten Normen müssen EU-weit abgestimmt sein. Auch [[FILK|erfahrene Prüfinstitute]] tun sich nachvollziehbar schwer, die fehlende Lederart eindeutig abzugrenzen. Um eine Rechtssicherheit für die Gerber zu schaffen, die Anilinleder mit Pigmenten korrigieren, wurde die Norm RAL 061 A1 (Abgrenzung der Qualitätsklassen von Polsterleder im Möbelbereich, Bezeichnungsvorschriften und Gütebedingungen, März 2016) ins Leben gerufen. Unter Punkt 3.2 wird die Lederart „[[Anilinleder veredelt - Veredeltes Anilinleder|Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)]]“ aufgeführt, die die Lücke zwischen [[Anilinleder|Anilinledern ohne Pigmentierung]] und den [[Semianilinleder|Semianilinledern]] schließen sollte.
+
[[Apfelgerbung|Apfel-]] oder [[Weinleder - Wineleather|Trauben-Trester]] sind die Pressreste bei der Saftgewinnung. Diese werden getrocknet und zu Pulver gemahlen. Dieses Pulver wird mit Bindemitteln vermischt und auf eine textile Oberfläche aufgetragen. Letztendlich ist das Pulver dann ein Feststoffbestandteil einer Kunstlederoberfläche.  
  
Bei dieser Lederart muss der [[Narbung|natürliche Narben]] noch deutlich sichtbar sein, die [[Haarporen|Haarkanäle]] dürfen nicht vollständig mit der [[Zurichtung]] gefüllt sein, und eine pigmenthaltige Zurichtung darf nicht stärker als 0,01 mm sein. Der neuen Norm fehlt bisher die allgemeine Akzeptanz. Es wird argumentiert, dass es Leder gibt, die mit unter 0,01 mm Pigmentzurichtung die Normen für Semianilinleder schaffen und somit keine Lücke vorhanden ist, und dass die Abgrenzung zwischen „Narben deutlich und vollständig sichtbar“ (Anilinleder) und „Narben deutlich sichtbar, Haarkanäle nicht gefüllt“ (Anilinleder veredelt) und „Narben deutlich sichtbar“ (Semianilinleder) unscharf und daher nicht messbar ist, was zutreffend ist. Dazu wird argumentiert, dass durch die Bezeichnung „Anilinleder veredelt (gebrauchsoptimiert)“ ein Risiko der Verwässerung des Begriffs Anilinleder eintritt. Vergleiche wie „Gold mit Blei überziehen“ wurden dabei gezogen.
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Nachtrag: Inzwischen gibt es auch Kunstleder, in die Feststoffbestandteile aus Kakteen eingemischt werden.  
  
  
===Endverbraucher und der Begriff Anilinleder===
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===Eukalyptusleder===
Das Lederzentrum ist ein Spezialist für Lederreinigungs- und Pflegeprodukte und Lederreparaturprodukte. Daher betrachten wir den Ledermarkt meist aus Sicht des Kunden, der ein Lederobjekt in seinem Besitz hat und es [[Lederreiniger|reinigen]], [[Lederpflege|pflegen]] oder [[Lederreparaturen|reparieren]] möchte. Voraussetzung für eine Verwässerung des Begriffs Anilinleder wäre eine Kenntnis des Endverbrauchers, worum es sich bei Anilinleder handelt. Aus unserer Erfahrung wissen die meisten Endverbraucher mehr oder weniger sicher, was Leder ist. Fragt man nach Begriffen wie [[Anilinleder]], [[Semianilinleder]], [[Spaltleder]], [[Rauhleder]] oder [[Wildleder]], ist die Antwort meist weitab der Definitionen der Normen.  
+
Ein weiteres Material wird aus Eukalyptusblätterfasern gewonnen. Es entsteht ein Gewebe mit 25% Eukalyptus-Gewebe und 74% „PVC-Compound“. Auch hier eine interessante Verwertung einer positiv belegten Pflanze, aber mit einem hohen Anteil eigentlich weniger gewünschten Substanzen.
  
  
===Endverbraucherbefragung zum Begriff Anilinleder===
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===Teakbaumblätter als Lederalternative===
Im Januar 2018 befragten wir 45 Privatkunden, die sich mit Lederfragen ans Lederzentrum wandten, ob der Begriff [[Anilinleder]] bekannt ist, und ob die Eigenschaften der Lederart bekannt sind. 35 Anrufer kannten den Begriff nicht, und weitere 7 kannten die Eigenschaften nicht. Von den verbleibenden drei Anrufern konnte nur einer die Begriffe „offenporig“ und die Ausbleichund Fleckenempfindlichkeit richtig zuordnen. Im Ergebnis waren 93 Prozent der Anrufer der Begriff komplett unbekannt, oder konnten die relevanten Eigenschaften gar nicht benennen.
+
Auch Teakbaumblätter aus Thailand werden zur Erzeugung eines lederartigen Materials verwendet. Die Blätter werden getrocknet, gefärbt und „schadstofffrei veredelt“, um dann auf Baumwolle vernäht zu werden. Optisch erinnert die Oberflächenveredelung an eine Bindemittelschicht. Die Optik mit einer Blattstruktur ist schön. Informationen über die Materialstabilität sind nicht bekannt.
  
  
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===Kork als Lederalternative===
[[bild:Pro-Leder-2018-01 02.jpg|500px]]
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Auch Kork aus Portugal wird für die Herstellung von Bekleidung verwendet. Dazu wird Kork verklebt und in ganz dünne Scheiben gespalten und auf ein Trägermaterial laminiert. Kork hat eine schöne Oberfläche, die aber auch empfindlich ist.
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Endverbraucher kennen sich mit den Termini der Lederfachleute nicht aus. Dafür gibt es viele Gründe. In der Schule oder Ausbildung werden die Begriffe nicht gelehrt, außer man lernt einen Lederberuf. Die in der weiten Vergangenheit allerorts vorhandene [[Lederindustrie]] ist nicht mehr vorhanden. Allenfalls Familiennamen oder Straßennamen erinnern noch daran. Oft werden [[ederarten]] falsch oder missverständlich angegeben, und zunehmend werden Leder mit der nächsthöheren Qualitätsklasse bezeichnet, ohne deren [[Lederqualität|Anforderungen]] zu erfüllen. Hier ist der Hauptgrund für die Verwässerung der Lederbegriffe zu finden. Es sind nicht die Bezeichnungen der Normen, die es schwierig machen, die Termini zu erklären und zu unterscheiden, sondern es sind die Inverkehrbringer von Lederwaren, die nicht entsprechend der genormten Fachbegriffe deklarieren, sondern falsch auszeichnen.
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===Beurteilung der Lederalternativen===
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Aus der Sicht der Lederwelt liest man auch zwischen den Zeilen der Lobeshymnen dieser Materialien. Viele Hersteller betonen, dass die Basismaterialien und die kombinierten Gewebe oder Bindemittel nachhaltig gewonnen würden und biologisch abbaubar seien. Es wird betont, dass weniger Wasser als bei der Baumwollproduktion benötigt würde und keine giftigen Chemikalien wie bei der [[Gerbung]] benötigt würden. Keines der Materialien wird für den Einsatzzweck [[Autoleder|Autopolster]], [[Flugzeugleder|Flugzeugpolster]] oder als [[Lederschuhe|Sohlenmaterial]] empfohlen. Ausnahmslos sind die Verwendungsarten im Fashionbereich. Bei manchen Materialien wird argumentiert, dass sie schneller als ein Rind wachsen würden und es daher ein besseres Material sei. Die Fleischgewinnung als Basis der Ledererzeugung wird nicht erwähnt. Bei den Empfindlichkeiten gibt es einige Parallelen zur Lederwelt. Es wird vor [[Lederschäden#Jeansabfärbungen auf Leder|Jeansabfärbung]] auf die Materialien und vor [[Lederschäden#Fettstellen auf Leder|dunklen Stellen im Hautkontaktbereich]] gewarnt.
  
Auf der Strecke bleibt der Endverbraucher, der erwartet, dass das Gekaufte seinen Wünschen entspricht und richtig deklariert ist. Beim Anilinleder wäre eine Einteilung in Reinanilinleder und Anilinleder veredelt durchaus vorstellbar und für den Endverbraucher eine erkennbare Orientierung, wenn sich alle an die Deklarationen halten würden. Eine Pigmentierung bedeutet nicht Blei auf Gold. Dann wäre Semianilinleder noch minderwertiger, wobei es eine hochwertige Lederart ist, und pigmentierte Leder wären dann noch viel schlechter angesiedelt. Diese Diskussion geht in eine ganz falsche Richtung. Anilinleder veredelt ist zwischen Anilinleder und Semianilinleder angesiedelt und somit hochwertig und wertvoll und eher zwischen Gold und Silber angesiedelt.
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass diese Alternativmaterialien eine Marktberechtigung in der Nische haben, aber aktuell keine ernsthafte Bedrohung für die Lederwelt sind. An die umfangreichen [[Leder#Warum Leder?|Nutzungs-]] und [[Ätzen#Weitere Informationen, wie man Leder mit Motiven versehen kann|Gestaltungsmöglichkeiten]] von Leder reichen diese Materialien nicht annähernd. Bei [[Lederqualität|Qualität, Stabilität]] und einfacher Verarbeitung für die anspruchsvolle Flächenverarbeitung hat Leder einen aktuell unaufholbaren Vorsprung. Die Materialbeschreibungen sind im Internet recherchiert und werden dort durchwegs positiv beurteilt. Eine kritische Betrachtung der Öko-Bilanz und Qualität der Materialien steht aus und würde vermutlich einige Angaben zu den Materialien relativieren. Im Gegensatz zu Leder benötigen fast alle Materialien ein [[Kaschieren|stabilisierendes Trägermaterial]].
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Das alles sollte aber nicht Hauptaugenmerk im Kampf für gutes Leder sein. Die Hauptgegner von Leder sind auf Kunststoffen basierende Materialien. In diesem Kampf liegen die Argumente für Leder und gegen [[Kunstleder]] klar auf der Hand. Aber wie schon im Bericht in der PRO-LEDER 1/2019 „Hat Leder ein Imageproblem?“ beschrieben, ist der Kampf für Leder und gegen Kunstleder alles andere als einfach. Die in diesem Bericht auf Naturprodukten basierenden Materialien stecken noch mehr oder weniger in den Kinderschuhen, und nur wenige dieser Materialien werden je einen signifikanten Marktanteil erreichen. Interessant sind einige Parallelen zur Lederwelt. Ohne [[Kaschieren|Kaschierungen]] und [[Zurichtung|Bindemittelbeschichtungen]] kommen auch diese Materialien nicht aus, und wie bei Leder muss sich mit [[Lederschäden|Bekleidungsabfärbungen und Schweißbeständigkeit]] rumgeschlagen werden.
  
  
 
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''Anilinleder gibt es in allen Bereichen: [[Bekleidungsleder]], [[Sattel|Fahrradsattel]], [[Lederschuhe|Schuhleder]], [[Lederhandtaschen|Taschen-]] und [[Lederkoffer|Kofferleder]]''<br></p>
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''Kein Leder!''<br></p>
 
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Da auch Semianilinleder den Begriff „Anilin“ beinhaltet, muss es einem dazwischenliegenden Begriff auch gestattet sein, diese Bezeichnung zu führen. Die Argumentation, dass durch die Bezeichnung Anilinleder veredelt eine hochwertigere Lederart als Anilinleder angepriesen würde, ist aus Sicht des Endverbrauchers sogar zutreffend. Der Endverbraucher wünscht sich bei hochpreisigen Ledermöbeln und Fahrzeugpolstern mit Leder ein langlebiges Produkt. Die Empfindlichkeit von Reinanilinledern müsste beim Kauf deutlich kommuniziert werden, damit ein Endverbraucher eine realistische Wahlmöglichkeit hat, das für ihn Richtige auszuwählen.
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Es ist richtig und wichtig, [[Leder#Welche Materialien dürfen als Leder bezeichnet werden?|die Bezeichnung als Leder]] in der Materialbeschreibung zu verbieten. Aber diese Materialien zu verteufeln, wäre nicht der richtige Weg. Unsere Besucher hatten neben Trama und Piñatex auch Lederprodukte im Programm und den Wunsch, der eigenen Kundschaft durch Biss und Durchhaltevermögen neue und schöne Materialien zu präsentieren. Das sind Grundwerte ehrenwerter Kaufleute, denen wir uns auch verbunden fühlen.
  
Durch die Füllung der Lücke zwischen reinem Anilinleder und Semianilinleder durch eine Lederart Anilinleder veredelt wird real und mit der Norm eine Lücke gefüllt. Kunden wohnen heutzutage auf ihren Möbeln. Die gute Stube ist nicht mehr nur besonderen Anlässen vorbehalten. Man legt sich mit Jeans auf die Möbel und isst und trinkt auf den Möbeln. Die Fensterfronten sind größer geworden, und es gibt mehr Wintergärten. All diese Veränderungen machen die empfindlicheren Anilinleder im Möbelbereich für viele Endverbraucher zu einem No-Go.
 
  
Die neue Lederbezeichnung bietet zudem dem Verkaufspersonal Argumentationsmöglichkeiten, eine leichte Pigmentierung zu vermitteln, die eindeutig hochwertig angesiedelt ist. Dem in der Minderheit vertretenen Puristen, der Reinanilin kennt, versteht und möchte, verbleibt weiterhin die Möglichkeit, sein [[Anilinleder]] mit der später unvermeidlich auftretenden [[Patina]] zu erwerben.  
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==Ergänzungen zum Fachartikel Lederalternativen==
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===Forschungsbericht vom Forschungsinstitut [[FILK]] zu Lederalternativen===
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2021 veröffentlichte das Forschungsinstitut [[FILK]] einen Forschungsbericht, bei dem Leder mit möglichen Lederalternativen auf deren [[Lederqualität|technische Eigenschaften]] hin untersucht wurden. Titel: „[https://www.mdpi.com/2079-6412/11/2/226 Comparison of the Technical Performance of Leather, Artificial Leather, and Trendy Alternatives]”.
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Bei dieser Forschungsarbeit wurden verschiedenste Lederalternativen mit dem Naturprodukt [[Leder]] verglichen. Die Produktbezeichnungen bzw. Marken der untersuchten Materialien: [https://desserto.com.mx/home Desserto®], [https://youtu.be/GBhT2blZYwo Kombucha], [[Piñatex - Ananasleder|Pinatex®]], [https://noanifashion.de/ Noani]® (= no animal), [https://appleskin.com/ Appleskin]®, [https://www.vegeacompany.com/ Vegea]®, [https://www.snap-pap.de/ SnapPap]®, [https://leaf-family.com/ Teak Leaf]®, und [[Muskin - Trama|Muskin]]®. Alle Materialien dieser Marken sind bereits im freien Handel erhältlich.
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Die untersuchten Materialien bestehen aus Biosubstanzen und synthetischen Substanzen und möchten die [[Gerbung|gegerbte]] tierische [[Haut]] durch eine vegane Alternative ersetzen. Ein [[Lederschuhe|Schuhoberleder]] trat bei diesem Vergleich der technischen Leistungsfähigkeit gegen ein [[Kunstleder]] und die oben aufgeführten Lederalternativen an.
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* '''Variante 1 der Lederalternativen:''' Der Versuch, Lederalternativen aus fast ausschließlich biologischer Substanz zu erzeugen. Pilze werden dazu z. B. verwendet. Marken wie [[Muskin - Trama|Muskin oder Trama]] gehen diesen Weg.
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* '''Variante 2 der Lederalternativen:''' Kunstlederhersteller versuchen ihren Kunststoffrohstoffen Biomaterialien unterzumischen. Fast ausschließlich werden dazu Bio-Abfälle verwendet. Reste aus der Weinpresse ([[Weinleder - Wineleather|Weinleder]]), der Apfelsaftproduktion (Vegea®, Appleskin®) oder auch Kaktusblätter (Desserto®) werden dazu gemalen und untergemischt.  
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* '''Variante 3 der Lederalternativen:''' Naturfasern von Pflanzen ([[Piñatex - Ananasleder|Piñatex]]) werden zu einer Art Vliesmaterial verarbeitet und dann beschichtet.
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Das Augenmerk der [[Lederqualität|Vergleichsuntersuchung]] lag auf der Zugfestigkeit, der Reißfestigkeit, die Knickfestigkeit, der Wasserdampfdurchlässigkeit und der Wasserdampfaufnahme.
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Das Ergebnis: Keine der untersuchten Lederalternativen konnte mit den [[Lederqualität|universellen Eigenschaften]] von [[Echtleder]] mithalten. In einzelnen Prüfbereichen erreichten einige Materialien respektable Ergebnisse, aber insgesamt war die Leistungsfähigkeit vom echten Leder höher und wird von keiner Alternative erreicht. Insbesondere die Stabilität und Beständigkeit von Leder war für die Alternativmaterialien unerreichbar. An die außerordentlichen Eigenschaften der Struktur der tierischen Haut kann bisher kein Alternativmaterial heranreichen.
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===Investitionen in Lederalternativen===
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2022 wurden 457 Millionen US-Dollar in Alternativmaterialien investiert. 2021 waren es noch 1,14 Milliarden US-Dollar, was dem Zinsanstieg im Jahr 2022 geschuldet ist. Das Umfeld für Risikokapital hatte sich 2022 durch den weltweiten Zins- und Inflationsanstieg deutlich verschlechtert. Von den insgesamt 102 finanzierten Entwicklern von Alternativmaterialien waren 64 Unternehmen auf der Suche nach Alternativen zu [[Leder]] und der Rest suchte Alternativen zu Seide, Wolle oder [[Pelze|Pelzen]] oder Daunen, wobei Pelze den Lederalternativen zugeordnet werden müsste. Ca. 52% Materialentwickler aller Alternativmaterialien-Entwickler forschte mit pflanzlichen Alternativen, knapp 20% mit Mikroben, knapp 9% mit Pilzen und der Rest arbeitete mit Recyclingmaterialien oder mit tierischen Zellen.
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In 2023 hat sich das Umfeld der Entwickler von Lederalternativen weiter verschlechtert. Die Entwicklung an den Finanzmärkten, aber auch das Fehlen eines deutlichen Erfolges, macht die Finazierungsrunden zunehmend schwieriger und teils unmöglich, wie jüngst beim Entwickler der Lederalternative [[Muskin - Trama#Mylo - Ein Pilzmaterial von Bolt Threads|Mylo aus Pilz-Myzel]].
  
  
 
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''[[Anilinleder]] ist wertvoll und [[Haptik|natürlich]], aber nicht [[Lederpflege|pflegeleicht]] und [[Lederreparaturen|reparaturfreundlich]].''<br></p>
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''Lederalternative aus Pilz-Mycel in seinen Anfängen.''<br></p>
 
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Die Lederart Anilinleder veredelt wird mit einer Lichtechtheit von mindestens 3 und einer Reibechtheit von trocken 100 Zyklen, nass 40 Zyklen und pH 8 30 Zyklen keine unempfindliche Lederart sein und für den Fahrzeugbereich nicht in Frage kommen, aber es füllt eine Regelungslücke, die durch real existierende Lederangebote gefüllt wird und fasst eine Lederart, die vom Endkunden akzeptiert wird, juristisch und begrifflich in klare Worte, was wünschenswert und nötig ist.
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''Lederalternative aus Hanf-Fasern in seinen Anfängen.''<br></p>
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== Weitere Informationen ==
 
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* [[Veganes Leder]]
 
* [[Veganes Leder]]
 
* [[Bioleder]]
 
* [[Bioleder]]
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* [[Eco-Leder]]
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* [[Muskin - Trama]]
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* [[Piñatex - Ananasleder]]
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* [[Nuvi Releaf|Nuvi Releaf - Lederalternative aus Tabakblättern]]
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* [[Weinleder - Wineleather]]
 
* [[Kunstleder]]
 
* [[Kunstleder]]
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* [[Leder#Welche Materialien dürfen als Leder bezeichnet werden?|Welche Materialien dürfen als Leder bezeichnet werden?]]
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* [[Peta|Peta - Kritische Betrachtung der Lederherstellung und von Leder überhaupt]]
  
  

Aktuelle Version vom 20. Juli 2023, 11:27 Uhr

Leder-Info-Logo-05.jpg


Lederalternativen.jpg

Fachartikel in der Pro-Leder Ausgabe 2019-05 von der Lederzentrum GmbH, Rosdorf.

 


Was sind Lederalternativen?

Der Markt der Lederalternativen war in der Vergangenheit durch Kunstleder besetzt und jeder kannte den Unterschied zwischen Leder und Kunstleder. Inzwischen konkurrieren neue Materialien mit Leder und versuchen einen Marktanteil zwischen Leder und Kunstleder zu finden. Auch bei den Begrifflichkeiten der Kennzeichnung von Kunstledern und Alternativprodukten neben dem Standardbegriff Kunstleder, wird viel Energie in Begriffsfindungen gesteckt, die für die Konsumenten verwirrend und oft auch irreführend sind. Wie z.B. bei der Kennzeichnung „Veganes Leder“, was nie aus Leder besteht und fast nie aus natürlichen Stoffen, sondern meist ein Kunstleder, verbunden mit der Problematik der geringen Haltbarkeit und Qualität und am Ende als Mikroplastik die Umwelt verschmutzt.


Fachartikel in der Pro-Leder Ausgabe 2019-05 - Sind Trama, Piñatex & Co. eine Gefahr für Leder?

Immer wieder tauchen Materialien auf, die kein Leder sind, aber wie Leder sein wollen oder sogar irreführend als „Leder“ bezeichnet werden. Dazu gehören Materialien wie Trama (Pilze) oder Piñatex (Ananas).

Alles Humbug? Wir hatten im Lederzentrum die Gelegenheit, uns Trama etwas näher anzuschauen. Zwei Jungunternehmer kündigten sich an und baten um Rat, wie man das Pilzmaterial Trama durch Bindemittel oberflächlich fixieren kann. Aufgrund von ersten Erfahrungen mit unseren Colourlock-Bindemittelprodukten wollten unsere Besucher erfahren, welchen Spielraum die Lederfarbenwelt für die Oberfläche von Trama bietet.


Was ist eigentlich Trama?

Trama, auch Muskin, Mushroom Leather oder Zunderschwammpilz genannt, ist das schwammige Untermaterial von einem Baumpilz. Trama hat eine rauhlederartige Oberfläche und ist sehr weich und samtig.


Mushroom-leather-Trama-01.jpg

Trama ist ein atmungsaktives Fasermaterial.

 

Was unterscheidet Trama von Leder?

Trama ist weich und wirkt sehr natürlich, aber hat keine mit Leder vergleichbare Faserstabilität. Trama ist nicht reißfest.


Mushroom-leather-Trama-02.jpg

Die Fasern sind nicht reißfest.

 

Mit wenig mechanischem Aufwand reißt Trama ein. Daher ist Trama auf eine Unterkaschierung angewiesen, die die Reißfestigkeit gewährleistet. Eine Technik, die auch bei Leder eingesetzt wird.


Mushroom-leather-Trama-03.jpg

Reißfestigkeit durch Kaschierung.

 

Trama hat noch einen weiteren Nachteil: Es ist äußerst wasserempfindlich. Offenporiges Leder ist auch wasserempfindlich. Wird Leder durch und durch nass, verkleben die Fasern beim Trocknen, und es wird steifer und muss wieder weicher gewalkt werden. Dazu verliert Rauhleder etwas Haptik und Optik, wenn es komplett nass geworden ist. Bei Trama sind die Konsequenzen schlimmer. Das Fasergefüge bricht durch Feuchtigkeit stark ein, und es dunkelt extrem ab. Der Schaden ist irreversibel.


Mushroom-leather-Trama-04.jpg

Feuchtigkeit dringt sofort ein.

 

Mushroom-leather-Trama-05.jpg

Nach der Trocknung deutlich gedunkelt.

 

Mushroom-leather-Trama-06.jpg

Einbrechen des Fasergefüges.

 

Um besseren Schutz zu gewährleisten, kann Trama imprägniert werden. Aber wie bei Rauhledern ist eine Imprägnierung nur ein Erstschutz und gegen Dauerregen nicht standhaft. Dazu nützt sich Trama durch mechanische Belastung schneller und stärker ab als Rauleder. Wie bei einer nappierten Fleischseite eines Fells kann auch auf Trama eine Bindemittelschicht aufgetragen werden.


Mushroom-leather-Trama-07.jpg

Nappiertes Trama.

 

Das war die Fragestellung unserer Besucher in der Lederwerkstatt. Durch eine Vorimprägnierung konnte auf das Trama ein Schutz gegen Feuchtigkeitsschäden durch wasserbasierende Binder aufgetragen werden. Wie bei einer Nappierung verliert das Material seine samtige Oberfläche, aber ein deutlich besserer Schutz wird erreicht. Dieses waren nur erste Versuche auf kleinen Flächen. Bis zu einer serienreifen Lösung muss noch viel in die Entwicklungsarbeit investiert werden. Ein weiterer Nachteil gegenüber Leder ist die Fläche der Stücke. Trama ist nur bis zu 30 Zentimeter groß.


Muskin-Trama-08.jpg

Trama-Stücke sind max. 30 Zentimeter groß.

 

Fazit für die Lederwelt?

Trama ist ein wunderschönes Material, aber die Ausgangsbasis ist deutlich schlechter als für vergleichbare Rauhleder. Leder ist robuster, unempfindlicher und hat in der Regel größere Flächen und kann ohne Kaschierung vernäht werden. Zum aktuellen Stand der Produktions- und Herstellungstechnik wird Trama ein Nischenprodukt bleiben, und es ist auch nicht absehbar, dass es ein ernstzunehmender Konkurrent für die Lederwelt werden könnte.


Was ist Piñatex?

Unsere Gäste brachten auch eine Musterkarte vom Piñatex mit, ein weiteres Material, welches im Rahmen von Lederalternativen häufiger erwähnt wird. Bei Piñatex wird aus den Fasern der Ananasblätter ein vliesartiges Fasergefüge gewonnen. Dieses Vlies wird mit Bindemitteln oder Folien beschichtet. Es entsteht ein grobes Narbenbild mit einer lederartigen Optik. Dass Fasern der Ananasblätter verwendet werden, ist eine interessante Verwertung, aber beschichtete Baumwollgewebe sind dem Material nicht unähnlich. Piñatex hat eine Eigenstabilität und eine gute Vermarktungsgeschichte, aber ob es das Potential hat, aus der Nische zu treten um ein ernsthafter Lederverdränger zu werden, ist noch nicht absehbar.


Piñatex-09.jpg

Piñatex Musterkarte.

 

Schaut man sich im Internet um, gibt es noch weitere Naturprodukte, die als Lederalternativen bezeichnet werden.


Apfelleder – Weintraubenleder - Kaktusleder

Apfel- oder Trauben-Trester sind die Pressreste bei der Saftgewinnung. Diese werden getrocknet und zu Pulver gemahlen. Dieses Pulver wird mit Bindemitteln vermischt und auf eine textile Oberfläche aufgetragen. Letztendlich ist das Pulver dann ein Feststoffbestandteil einer Kunstlederoberfläche.

Nachtrag: Inzwischen gibt es auch Kunstleder, in die Feststoffbestandteile aus Kakteen eingemischt werden.


Eukalyptusleder

Ein weiteres Material wird aus Eukalyptusblätterfasern gewonnen. Es entsteht ein Gewebe mit 25% Eukalyptus-Gewebe und 74% „PVC-Compound“. Auch hier eine interessante Verwertung einer positiv belegten Pflanze, aber mit einem hohen Anteil eigentlich weniger gewünschten Substanzen.


Teakbaumblätter als Lederalternative

Auch Teakbaumblätter aus Thailand werden zur Erzeugung eines lederartigen Materials verwendet. Die Blätter werden getrocknet, gefärbt und „schadstofffrei veredelt“, um dann auf Baumwolle vernäht zu werden. Optisch erinnert die Oberflächenveredelung an eine Bindemittelschicht. Die Optik mit einer Blattstruktur ist schön. Informationen über die Materialstabilität sind nicht bekannt.


Kork als Lederalternative

Auch Kork aus Portugal wird für die Herstellung von Bekleidung verwendet. Dazu wird Kork verklebt und in ganz dünne Scheiben gespalten und auf ein Trägermaterial laminiert. Kork hat eine schöne Oberfläche, die aber auch empfindlich ist.


Beurteilung der Lederalternativen

Aus der Sicht der Lederwelt liest man auch zwischen den Zeilen der Lobeshymnen dieser Materialien. Viele Hersteller betonen, dass die Basismaterialien und die kombinierten Gewebe oder Bindemittel nachhaltig gewonnen würden und biologisch abbaubar seien. Es wird betont, dass weniger Wasser als bei der Baumwollproduktion benötigt würde und keine giftigen Chemikalien wie bei der Gerbung benötigt würden. Keines der Materialien wird für den Einsatzzweck Autopolster, Flugzeugpolster oder als Sohlenmaterial empfohlen. Ausnahmslos sind die Verwendungsarten im Fashionbereich. Bei manchen Materialien wird argumentiert, dass sie schneller als ein Rind wachsen würden und es daher ein besseres Material sei. Die Fleischgewinnung als Basis der Ledererzeugung wird nicht erwähnt. Bei den Empfindlichkeiten gibt es einige Parallelen zur Lederwelt. Es wird vor Jeansabfärbung auf die Materialien und vor dunklen Stellen im Hautkontaktbereich gewarnt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass diese Alternativmaterialien eine Marktberechtigung in der Nische haben, aber aktuell keine ernsthafte Bedrohung für die Lederwelt sind. An die umfangreichen Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten von Leder reichen diese Materialien nicht annähernd. Bei Qualität, Stabilität und einfacher Verarbeitung für die anspruchsvolle Flächenverarbeitung hat Leder einen aktuell unaufholbaren Vorsprung. Die Materialbeschreibungen sind im Internet recherchiert und werden dort durchwegs positiv beurteilt. Eine kritische Betrachtung der Öko-Bilanz und Qualität der Materialien steht aus und würde vermutlich einige Angaben zu den Materialien relativieren. Im Gegensatz zu Leder benötigen fast alle Materialien ein stabilisierendes Trägermaterial.

Das alles sollte aber nicht Hauptaugenmerk im Kampf für gutes Leder sein. Die Hauptgegner von Leder sind auf Kunststoffen basierende Materialien. In diesem Kampf liegen die Argumente für Leder und gegen Kunstleder klar auf der Hand. Aber wie schon im Bericht in der PRO-LEDER 1/2019 „Hat Leder ein Imageproblem?“ beschrieben, ist der Kampf für Leder und gegen Kunstleder alles andere als einfach. Die in diesem Bericht auf Naturprodukten basierenden Materialien stecken noch mehr oder weniger in den Kinderschuhen, und nur wenige dieser Materialien werden je einen signifikanten Marktanteil erreichen. Interessant sind einige Parallelen zur Lederwelt. Ohne Kaschierungen und Bindemittelbeschichtungen kommen auch diese Materialien nicht aus, und wie bei Leder muss sich mit Bekleidungsabfärbungen und Schweißbeständigkeit rumgeschlagen werden.


Lederalternatigven-10.jpg

Kein Leder!

 

Es ist richtig und wichtig, die Bezeichnung als Leder in der Materialbeschreibung zu verbieten. Aber diese Materialien zu verteufeln, wäre nicht der richtige Weg. Unsere Besucher hatten neben Trama und Piñatex auch Lederprodukte im Programm und den Wunsch, der eigenen Kundschaft durch Biss und Durchhaltevermögen neue und schöne Materialien zu präsentieren. Das sind Grundwerte ehrenwerter Kaufleute, denen wir uns auch verbunden fühlen.


Ergänzungen zum Fachartikel Lederalternativen

Forschungsbericht vom Forschungsinstitut FILK zu Lederalternativen

2021 veröffentlichte das Forschungsinstitut FILK einen Forschungsbericht, bei dem Leder mit möglichen Lederalternativen auf deren technische Eigenschaften hin untersucht wurden. Titel: „Comparison of the Technical Performance of Leather, Artificial Leather, and Trendy Alternatives”.

Bei dieser Forschungsarbeit wurden verschiedenste Lederalternativen mit dem Naturprodukt Leder verglichen. Die Produktbezeichnungen bzw. Marken der untersuchten Materialien: Desserto®, Kombucha, Pinatex®, Noani® (= no animal), Appleskin®, Vegea®, SnapPap®, Teak Leaf®, und Muskin®. Alle Materialien dieser Marken sind bereits im freien Handel erhältlich.

Die untersuchten Materialien bestehen aus Biosubstanzen und synthetischen Substanzen und möchten die gegerbte tierische Haut durch eine vegane Alternative ersetzen. Ein Schuhoberleder trat bei diesem Vergleich der technischen Leistungsfähigkeit gegen ein Kunstleder und die oben aufgeführten Lederalternativen an.

  • Variante 1 der Lederalternativen: Der Versuch, Lederalternativen aus fast ausschließlich biologischer Substanz zu erzeugen. Pilze werden dazu z. B. verwendet. Marken wie Muskin oder Trama gehen diesen Weg.
  • Variante 2 der Lederalternativen: Kunstlederhersteller versuchen ihren Kunststoffrohstoffen Biomaterialien unterzumischen. Fast ausschließlich werden dazu Bio-Abfälle verwendet. Reste aus der Weinpresse (Weinleder), der Apfelsaftproduktion (Vegea®, Appleskin®) oder auch Kaktusblätter (Desserto®) werden dazu gemalen und untergemischt.
  • Variante 3 der Lederalternativen: Naturfasern von Pflanzen (Piñatex) werden zu einer Art Vliesmaterial verarbeitet und dann beschichtet.

Das Augenmerk der Vergleichsuntersuchung lag auf der Zugfestigkeit, der Reißfestigkeit, die Knickfestigkeit, der Wasserdampfdurchlässigkeit und der Wasserdampfaufnahme.

Das Ergebnis: Keine der untersuchten Lederalternativen konnte mit den universellen Eigenschaften von Echtleder mithalten. In einzelnen Prüfbereichen erreichten einige Materialien respektable Ergebnisse, aber insgesamt war die Leistungsfähigkeit vom echten Leder höher und wird von keiner Alternative erreicht. Insbesondere die Stabilität und Beständigkeit von Leder war für die Alternativmaterialien unerreichbar. An die außerordentlichen Eigenschaften der Struktur der tierischen Haut kann bisher kein Alternativmaterial heranreichen.


Investitionen in Lederalternativen

2022 wurden 457 Millionen US-Dollar in Alternativmaterialien investiert. 2021 waren es noch 1,14 Milliarden US-Dollar, was dem Zinsanstieg im Jahr 2022 geschuldet ist. Das Umfeld für Risikokapital hatte sich 2022 durch den weltweiten Zins- und Inflationsanstieg deutlich verschlechtert. Von den insgesamt 102 finanzierten Entwicklern von Alternativmaterialien waren 64 Unternehmen auf der Suche nach Alternativen zu Leder und der Rest suchte Alternativen zu Seide, Wolle oder Pelzen oder Daunen, wobei Pelze den Lederalternativen zugeordnet werden müsste. Ca. 52% Materialentwickler aller Alternativmaterialien-Entwickler forschte mit pflanzlichen Alternativen, knapp 20% mit Mikroben, knapp 9% mit Pilzen und der Rest arbeitete mit Recyclingmaterialien oder mit tierischen Zellen.

In 2023 hat sich das Umfeld der Entwickler von Lederalternativen weiter verschlechtert. Die Entwicklung an den Finanzmärkten, aber auch das Fehlen eines deutlichen Erfolges, macht die Finazierungsrunden zunehmend schwieriger und teils unmöglich, wie jüngst beim Entwickler der Lederalternative Mylo aus Pilz-Myzel.


Lederalternative aus Pilz-Mycel in seinen Anfängen.

 

Lederalternative aus Hanf-Fasern in seinen Anfängen.

 

Weitere Informationen


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